Montag, 5. Februar 2024

NIKKO NR-719

 Zugegeben, ich bin ein Liebhaber analoger Verstärker und Receiver. Speziell aus der Ära 70er / 80er-Jahre. Das liegt zum Einen an der Haptik der Geräte und an diesem schwer zu beschreibenen, warmen, vollen Klang. Wer meint, das aktuelle Geräte das genauso liefern, hat vermutlich noch nie einen DENON, MARANTZ und Co. aus dieser Zeit live gehört.

Ein Hersteller dieser Generation war die japanische Firma NIKKO. Gegründet 1948, produzierte diese bis zu Ihrer Auflösung im Jahr 1990 diverse Geräte, vom Vollverstärker bis zum Schallplattenspieler. Zeit seiner Existenz stand NIKKO immer im Schatten großer Hersteller. Das hatte weniger mit der audiophilen Qualität und Ausstattung zu tun, sondern eher mit der Optik der Geräte. Die Designer verschlossen sich den damaligen Trends und beharten eher auf Ihren biederen Look. Damit war es schwer entsprechende Märkte zu erobern.

Irgendwann sah ich mal ein Prospekt der Firma aus dieser Zeit und mein Interesse war geweckt. Und der Zufall wollte es, das ein Receiver vom Typ NR-719 sehr günstig, da teildefekt, auf einer Plattform angeboten wurde. Also zugeschlagen.


Hier mal einpaar technischen Daten:

Baujahre:                       1979 - 1981
Hergestellt in:                Japan
Leistungsaufnahme:     190W
Tuner:                            AM, FM

Dauerleistung (8Ohm): 2 x 35W bei Klirrfaktor 0,05%
Eingänge:                     Phono, Tape, AUX

Besonderheiten:            T-Locked Funktion, Loudness

Als das Gerät auf meinem Tisch stand, zeigten sich auch die ersten kleinen Mängel. Die Seitenteile aus Pressspan waren an den Ecken ausgefranst, die alu-gebürsteten Drehknöpfe hatten teilweise Kratzer und das Äußere war sehr verschmutzt. Es war aber nichts gebrochen oder fehlte. Zumindest war der Versand gut gegangen. Im Ganzen kam nichts dazu, was ich nicht schon auf den Fotos gesehen hatte.

Zum Glück ersparte ich mir einen ersten Testlauf, den ich wollte zuerst ein Blick ins Gerät werfen. Nachdem der Deckel weg war, war mein erster Gedanke: "Sch..., das gibt Arbeit!"


Was ich dort sah, war vermutlich noch Staub aus den 80er-Jahren. Stellenweise waren die Bauteile auf den Platinen nicht mehr zu erkennen. 



Es dauerte Stunden mit Pinsel, Airbrusch und Staubsauger die Platine von ihrem Dreck zu befreien. Danach wurde das Gerät mit Platinenreiniger grundgereinigt.

Die Verstärker-Platine wurde dann als Erstes ausgebaut. War leicht zu bewerkstelligen, nur die Leistungstransistoren mussten von ihrem Kühlkörper gelöst werden. Da ich diese sowieso neu "betten" wollte, keine zusätzliche Arbeit.
Nach weiteren Stunden putzen sah die Verstärker-Platine dann so aus:


Nachdem die Transistoren und Potis gereinigt waren, wurden noch die Glühlampen gewechselt. Ich hatte mir im Vorfeld gleichwertige, warmweiße Glühlampen besorgt. Kein LED Ersatz, mag ich nicht.

Die Bauteile sahen alle unbeschädigt aus. Einzig die Elkos waren etwas "angerußt". Eine Test-Messung ergab zwar noch sinnvolle Werte, allerdings lag der Kapazitätsverlust bei ca. 20%. Das war mir zu viel, also wurden alle Kondensatoren gewechselt. Zu diesem Zeitpunkt reifte dann auch der Entschluss, alle Kondensatoren im Gerät zu tauschen. Das wären dann ca. 40 Stück. Viel Arbeit, aber der Zustand des Gerätes legte das nahe.

Mit der Netzteil-Platine wurde genauso verfahren. Ausbauen, reinigen, Elkos tauschen. Nur die beiden großen Sieb-Elkos sollten verbleiben. Die Verfügbarkeit  beim Lieferanten meines Vertrauens lag hier sowieso irgendwann in ferner Zukunft. 

Bei der Tuner-Platine sah es dagegen etwas anders aus. Eine Demontage war nicht möglich, ohne das Umlenkrad der Skalen-Schnur zu demontieren. Das ersparte ich mir. Unter Umständen hätte ich die Schnur neu wickeln müssen. Das war mir zu heiß. Denn Ersatz gab es für dieses Teil garantiert nicht.



Nachteil war jetzt aber, dass ich alle Elkos im eingebauten Zustand der Platine tauschen musste. Das hieß: Gerät hochkant und mit viel Fingerspitzengefühl die richtigen Lötpunkte auf der Platinen-Unterseite finden. Eine sch... Arbeit.

Etliche Stunden später war auch das geschafft. 

Dann wurde alles wieder eingebaut und die Leistungs-Transistoren bekamen ein neues Bett aus frischer Kühlpaste und neuen Glimmerscheiben. Zuvor wurde noch das Alu-Kühlblech auf Hochglanz poliert. Klangtechnisch macht das nichts, ist eher meiner Detail-Macke geschuldet.



Ein erster Test stand an. Bevor das Gerät Musik zugespielt bekommen sollte, wollte ich den Ruhestrom einstellen. Im Vorfeld hatte ich mir dazu ein originales Service Manual besorgt. Natürlich gab es dieses nur in den USA. Wo sonst. In ganz Europa gab es keinen einzigen Anbieter. Für die Versandkosten hätte ich auch selber eins schreiben können. Das Ganze ist aber dem Umstand geschuldet, dass dieses Gerät in meinem Wohnzimmer spielen soll. Und hier habe gerne das Gesamtpaket. Gerät plus original Service Manual. Noch ne Macke.

Wider Erwarten gestaltete sich der Abgleich problemlos. NIKKO gibt einen Wert zwischen 4,7 und 14.1 mV vor. Im Mittel sind 9,4 mV angegeben. Diesen Wert konnte ich auf beiden Kanälen perfekt einstellen. Mehr ist an diesem Gerät auch nicht zu tun. Alle anderen Schritte beziehen sich auf den Tuner Abgleich und den wollte ich erst einmal testen.

Also: Boxen und Tape Deck angestöpselt, eingeschaltet und: Es kam Musik. Kein Knistern, kein Rauschen, kein Brummen. Sauber und warm. Alle Tasten funktionierten. Die Loudness Funktion zeigte, was meinen kleinen Quadral-Boxen noch so liefern können. Perfekt!

Im FM-Tuner-Betrieb zeigte sich, das kein Abgleich notwendig war. Selbst mit einem kleinen Stück Klingeldraht kamen alle empfangbaren Stationen sauber rein. Die Auto-Muting-Funktion arbeitete perfekt, die Pegelanzeigen für Signalstärke und Tuning funktionierten. 

Bleibt nur noch eins: Die Seitenblenden aus schwarz beschichteten Pressspan. Hier werde ich mal den Tischler in der Nachbarschaft besuchen. Mir schweben da Echtholz-Blenden aus Nußbaum vor. Die passen besser zu meinem AKAI X-201D. Bis dahin kann er aber schon mal seinen Klang in meinem Wohnzimmer verbreiten.



Project done!

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